Mein Spiegelbild und ich
Die Abwärtsspirale bei Übergewicht und Adipositas
Es wird ein Prozess in Gang gesetzt, aus dem viele Menschen nicht mehr entfliehen können. Sie sehen sich konfrontiert mit einer Sache, die sich nicht mehr kontrollieren lässt. Sie erkennen, dass es falsch ist und finden sich trotzdem am späten Abend am Kühlschrank wieder, während sie mit einem Esslöffel genüsslich das kühl gestellte Mittagessen naschen. Sie erwischen sich selbst. So als würde man ein Kind dabei erwischen, wie es heimlich nach dem Zähneputzen Süßigkeiten isst. Doch während Eltern ihrem Kind die Süßigkeiten schimpfend wegnehmen, steht niemand am Kühlschrank und entfernt den Löffel aus unserer Hand.
Testen Sie hier, ob Sie übergewichtig oder adipös sind.
#BMI #Körpermaße
Wie Kohlenhydrate im Körper verwertet werden
Der erste Schritt die Abwärtsspirale zu durchbrechen, ist Wissen. Es ist wichtig zu verstehen, wie das Belohnungssystem des eigenen Körpers funktioniert und was den Körper antreibt nachts den Kühlschrank zu plündern oder über den Hunger hinaus zu essen. Einen großen Anteil daran nehmen kurz- und langkettige Kohlenhydrate, der Blutzucker und die damit in Verbindung stehende Insulinantwort. Grundsätzlich werden kurzkettige und langkettige Kohlenhydrate unterschieden. Zu den kurzkettigen Kohlenhydraten gehören Einfachzucker (Monosaccharide) und Zweifachzucker (Disaccharide), worunter auch Fruchtzucker (Fructose) zählt. Langkettige Kohlenhydrate werden auch als Mehrfachzucker (Polysaccharide) bezeichnet. Bei allen Arten handelt es sich um Zucker. Dennoch unterscheiden sie sich in ihrer Form und im Hinblick auf ihre Spaltungsdauer bei der Verdauung. Und dies stellt einen entscheidenden Faktor dar.
Erfahren Sie hier, wie verschiedene Nahrungsmittel über einen ganzen Tag meinen Blutzuckerspiegel beeinflusst haben.
#ZuckerImBlut / YouTube etc.
Blutzucker im Praxistest
Die Ergebnisse der Messungen haben wir in ein Liniendiagramm übertragen, welches folgender Abbildung zu entnehmen ist:

Was List und Tücke mit Zucker zu tun hat
Interessant ist die unterschiedliche Blutzuckerreaktion auf die verschiedenen Nahrungsmittel. Während nach dem Verzehr eines Glases Cola (hier: rote Linie) innerhalb von wenigen Minuten ein starker Rückgang auf einen starken Anstieg zu verzeichnen ist, verläuft die Steigung bei der Kartoffelkurve (hier: grüne Linie) ungleich schwächer und länger. Dies liegt daran, dass Cola aus Industriezucker (hier: Einfachzucker) besteht, der ohne enzymatische Verarbeitungsstufe unmittelbar über die Darmwand absorbiert wird und in das Blut gelangt.
Konträr dazu muss der Mehrfachzucker der Kartoffel erst enzymatisch in Einfachzucker aufgespalten werden. Dies benötigt Zeit, sodass die Kurve ungleich langsamer ansteigt und die Steigung der Blutzuckerkurve nicht so stark verläuft, wie nach dem Verzehr eines Glases Cola.
Erfahren Sie hier, welche Lebensmittel einen besonders hohen Anstieg des Blutzuckers zur Folge haben.
Der Konsum von Einfachzucker (z.B. Cola, Jelly Beans, Gummibärchen etc.) hat einen schnellen Anstieg und einen schnellen Abstieg des Blutzuckers zur Folge.
Die List und Tücke des Zuckers liegt in der Normalisierungsphase, die nach dem Wendepunkt die Blutzuckersenkung einleitet. Auch hier ist die Zeit der entscheidende Faktor. Da auf einen schnellen Anstieg ein schneller Abfall der Blutzuckerkurve folgt, fällt der Körper sehr schnell in einen Zustand der (teilweise gefühlten) Unterzuckerung. In diesem Moment verlangt der Körper nach einem neuen Zuckerschub, um das Zuckerniveau im Blut wieder nach oben zu korrigieren. Und genau diesen Zustand nennt man Heißhungerattacke, die viele Menschen ereilt und sie nachts vor dem Kühlschrank mit einem Esslöffel in der Hand wach werden lässt.
Weitere Gefahren bei kohlenhydratlastiger Ernährung
Diese Normalisierungsphase birgt noch andere Gefahren. Je höher der Blutzuckerspiegel nach Verzehr eines Nahrungsmittels in die Höhe schießt, umso mehr und umso schneller wird durch die Bauchspeicheldrüse Insulin produziert. Das Insulin stimuliert dabei vornehmlich Leber- und Muskelzellen, indem es an die Rezeptoren an der Außenseite der Zellen andockt. Daraufhin beginnt die Zelle den Zucker aus dem Blut aufzunehmen und es einzulagern. Sofern die Zellen mit der Aufnahme des Blutzuckers nicht nachkommen, produziert die Bauchspeicheldrüse noch mehr Insulin, um die Zellen stärker zu stimulieren und sie zur weiteren und schnelleren Aufnahme des Zuckers zu veranlassen.
Insulin regt jedoch nicht nur Leber- und Muskelzellen an den Zucker aus dem Blut aufzunehmen. Wenn die Speicher der Leber- und Muskelzellen gefüllt sind, wird der übrige Zucker im Blut in Fett umgewandelt. Das Insulin stimuliert dabei die Fettzellen dieses Fett in den Fettdepots des Körpers zu speichern. Nachdem sich der Blutzuckerspiegel wieder normalisiert hat, sinkt auch der Insulinspiegel mit einer zeitlichen Verzögerung wieder auf seinen niedrigen Nüchternwert zurück. Mit sinkendem Insulinniveau reduziert sich die Stimulierung der Fettzellen entsprechend, sodass diese nun dazu angeregt werden das eingespeicherte Fett wieder abzubauen und dieses dem Körper zur Verstoffwechselung bereitzustellen.
Das Problem mit der schlechten Ernährung und der Insulinresistenz
Der Verzehr von stark zuckerhaltigen Nahrungsmitteln über einen langen Zeitraum hinweg wirkt sich nachteilig auf den Stoffwechsel aus. Die ständige Stimulierung der Zellen mit Insulin hat zur Folge, dass die Zellen immer mehr Zucker aufnehmen und Fette ablagern. Da dies den Zellen jedoch nur begrenzt möglich ist, beginnt die Zelle die Anzahl der Insulinrezeptoren auf ihrer Außenseite zu reduzieren.
Dies hat zur Folge, dass das Insulin nicht mehr in seinem ursprünglichen Wirkungsmaß wirken und der Zucker aus dem Blut nicht abgebaut werden kann. Dabei wird der bereits ohnehin schon hohe Zuckeranteil durch weiteren Zucker aus dem Verdauungsvorgang weiter erhöht, sodass die Bauchspeicheldrüse die Insulinproduktion weiter erhöht. Dies wiederum hat zur Folge, dass weitere Zellen die Anzahl ihrer Insulinrezeptoren verringern und der Körper eine Insulinresistenz ausbildet. Die dauerhafte Überproduktion von Insulin (Hyperinsulinämie) ist eine Vorstufe des Diabetes Mellitus Typ 2 (Prädiabetes) und kann von der Bauchspeicheldrüse über viele Jahre hinweg aufrechterhalten werden.
Das Versagen der Bauchspeicheldrüse
Ist dieser Zustand auf Grund eines ungesunden Lebensstils dauerhaft vorhanden, nimmt die Bauchspeicheldrüse irreversiblen Schaden und stellt die Insulinproduktion in Gänze ein. Der Körper ist nun nicht mehr in der Lage seinen Blutzuckerspiegel über die Bauchspeicheldrüse zu regulieren, sodass die Nieren beginnen, den Zucker direkt aus dem Blut zu filtern und ihn über den Urin auszuscheiden (Glukosurie). Der Urin wird dadurch süß und gibt der Krankheit seinen Namen: Diabetes mellitus (süßer Urin). Auf Grund der Tatsache, dass diese Krankheit erworben wurde, wird die Bezeichnung „Diabetes mellitus“ mit dem Diabetestyp „Typ 2“ ergänzt.
Was hat das jetzt alles mit der Parodontitis zu tun?
Bei einer Insulinresistenz schüttet die Bauchspeicheldrüse sehr hohe Insulinmengen aus, die einen langanhaltenden Insulinspiegel im Blut zur Folge haben. Durch die hohe Insulinaktivität und die verminderte Aufnahme des Zuckers durch die Leber- und Muskelzellen wird das überschüssige Fett in den Fettdepots abgespeichert (Lipogenese). Dabei hemmt Insulin auch den Abbau von Fettzellen (Lipolyse), sodass mehr Fettzellen aufgebaut als abgebaut werden.
Bei übergewichtigen und fettleibigen Personen sondern die Fettzellen (Adipozyten) verstärkt eine Reihe von Proteinen (Zytokine) ab, die eine entzündungsfördernde Wirkung (Adipokine) haben. Die Freisetzung dieser entzündungsfördernden Proteine erhöht sich dabei mit steigendem BMI und steigender Fettmasse. Besonders hoch sind die Zytokinwerte bei bauchbetonter Adipositas, wobei große Mengen von Fettgewebe im Bauchraum (viszerales Fett) mit einer höheren Neigung zu Diabetes Typ-2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht.
Darüber hinaus liegt bei der Vielzahl übergewichtiger und adipöser Menschen eine Mundtrockenheit (Xerostomie) vor, die durch einen zu niedrigen Speichelfluss (Hyposalivation) verursacht wird. Durch den teilweise stark verminderten Speichelfluss kann der Speichel die Zähne und das Zahnfleisch nicht mehr ausreichend umspülen, sodass die Bildung eines Biofilms auf dem Zahn und in den Zahnzwischenräumen begünstigt wird. Auf diesem Biofilm lassen sich die ersten Parodontitis-Markerkeime (Frühkolonisierer) nieder. Das Wachstum dieser Keime wird dabei weiter durch eine ungesunde und zuckerhaltige Ernährung begünstigt, sodass der Lebensraum für weitere Parodontitis-Markerkeime geschaffen wird.
Auf Grund der Tatsache, dass die entzündlichen Proteine aus dem Fettgewebe das Immunsystem dauerhaft stimulieren bzw. überlasten, steigt die Infektanfälligkeit für den ganzen Körper signifikant. Vor diesem Hintergrund wird es den Parodontitis-Markerkeimen in den infizierten Zahnfleischtaschen erleichtert die epitheliale Barriere zu durchbrechen und über das Blut in den gesamten Organismus zu gelangen.
Zusammenfassung
Übergewicht und Fettleibigkeit…
- ist die Folge ungesunder und kohlenhydratlastiger Ernährung,
- ist das Ergebnis von Überernährung und einem schwankenden Blutzuckerspiegel (Heißhungerattacken),
- hat hohe Insulinwerte zur Folge, die langfristig zu Insulinresistenz und Diabetes mellitus Typ-2 führen können,
- geht mit erhöhten Entzündungswerten im gesamten Körper einher und begünstigt das Ansiedeln und das Wachstum von Parodontitis-Markerkeimen